den 6. Juni 1988
Grüß Sie Gott,
Jetzt wird's aber allerhöchste Zeit, daß ich mich wieder bei Ihnen melde. Post aus der Heimat zu bekommen ist für uns Missionare immer ein Zeichen, daß wir zu Hause nicht vergessen sind und es ist auch schön, zu erfahren, wie es denen geht, mit denen wir uns hier in Gedanken und im Gebet verbunden wissen. Gottlob gibt es noch immer edle Menschen, welche die Arbeit der Kirche in der Mission mittragen und die ein Herz haben für die Menschen, denen wir dienen wollen. Seit Sie meinen letzten Brief bekommen haben, hat sich wieder eine Unmenge ereignet, worüber ich Ihnen erzählen sollte.
Da ist zunächst, daß ich vorerst weiterhin in der Klosterverwaltung tätig sein werde. Damit ich dabei das "Seelsorgen" nicht verlerne, werde ich ab Ende dieses Monats vertretungsweise für ein halbes Jahr noch Pfarrer für die 24 Kirchengemeinden der beiden Pfarreien Inkamana und Mondlo sein.
Unser kirchliches Entwicklungshilfe- und Pfarrzentrum in Mahlabatini ist zwischenzeitlich wenigstens in seinem ersten Bauabschnitt nun fast vollendet. Die Maler sind noch dabei, dem Gebäude den letzten Schliff zu geben und die Inneneinrichtung fehlt noch. Aber wir hoffen, daß wir es im Juli oder August feierlich eröffnen können. Den zweiten Bauabschnitt, die große Halle, können wir leider vorerst nicht beginnen, weil uns eben das nötige "Kleingeld" dazu noch fehlt.
Anders in Bhokweni, wo wir demnächst mit dem Bau einer Kirche beginnen wollen, weil unsere Gläubigen dort sehr viel mehr auch in Eigenleistung zum Bau beitragen können. Die Buschkirche dort wird sich der Landschaft und dem Baustil der Zulu eng anpassen, d.h. sie wird wie eine große Rundhütte aussehen. Damit ist die Chance noch größer, daß die Zulu sich in unserer Kirche beheimatet fühlen können, wenn sie ihnen eben nicht so sehr als europäischer Fremdkörper erscheint.
Ja, ich denke, daß die weitere Entwicklung der Kirche - nicht nur hier im Zululand - sehr davon abhängen wird, wie wir es verstehen, die Menschen darin zu beheimaten. Auf der anderen Seite merke ich es genauso an mir selbst, wie gut es tut, Stück für Stück selber neue Heimat zu finden. Sicher wird es noch ein langer Weg sein, aber ich spüre dankbar, daß mich die Zulu schön langsam immer weniger als Fremden betrachten und mehr als einen von ihnen annehmen. Jedenfalls betrachtete ich es gestern als große Auszeichnung, als mich ein kleines Mädchen nach der Fronleichnamsprozession in Nqulwane an den Händen faßte und mir erklärte, sie wolle jetzt mit mir spielen. Zulukinder werden nämlich streng dazu erzogen, Erwachsenen mit großem Respekt und Scheu zu begegnen, d.h. wenn sie Erwachsenen begegnen, dürfen sie nicht von sich aus grüßen, sondern müssen warten, ob sie der Erwachsene grüßt zum Zeichen, daß er sich nicht von ihnen gestört fühlt. Wenn Kinder dann mit einem Erwachsenen sprechen, müssen sie sich vor ihn hinknien und zur Seite schauen. Blickkontakt wäre ein Zeichen von Respektlosigkeit. Verstehen Sie jetzt, warum mich die spontane Einladung zum Spielen so freute?
Daß es auch in Ihrem Leben immer mal wieder unerwartete Anlässe zur Freude gibt, das wünsche ich Ihnen von Herzen.
Weil bei uns der Winter Einzug hält - vergangene Woche sah ich nachts in Inkamana zum ersten mal eine vom Reif weiß bedeckte Palme -, haben wir die Zugvögel zu Euch geschickt. Mögen sie auch einen lieben Gruß von mir aus dem Zululand zu Ihnen bringen.
So bleibe ich herzlichst dankbar
Ihr Pater Gerhard
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