Pater Gerhards Rundschreiben

den 1. Mai 1989

Meine lieben Verwandten, Freunde und Bekannten,

eigentlich sollte Euch dieser Rundbrief schon zu Ostern erreicht haben, aber ich hoffe, er ist auch als pfingstlicher Gruß noch willkommen. Ja, möge Euch der Heilige Geist mit der Fülle seiner Gaben beschenken und das nicht nur jetzt zu Pfingsten. Aber auch wir hier in der Mission bitten Euch ganz herzlich um Euer Gebet um den Heiligen Geist, denn auch wir haben's dringend nötig.

Kam doch kürzlich die Leiterin unseres Mädcheninternates, eine Zulu-Ordensschwester, ganz bestürzt ins Pfarrhaus, wir müßten dringend ins Internat kommen, denn da gingen die bösen Geister um. Auf die Frage, wie sich denn das äußere, meinte sie, bestimmt hätte eines der Mädchen bei Schulbeginn eine Zaubermedizin von zu Hause mitgebracht. Nachts verwandle sich dieses Pulver dann in ein abstoßendes Tier, das die Mädchen in Angst und Schrecken versetze. Davon war sie felsenfest überzeugt und wir hätten wohl niemand geholfen, wenn wir sie nur ausgelacht hätten. Freilich können und wollen wir keinen Geisterkult mit katholischem Deckmäntelchen vollziehen, aber wir haben dann eben das Internat und alle, die darin leben, feierlich gesegnet und Gott um seine Hilfe gebeten, auf daß er alles Böse von uns fernhalte. Ihr seht, in welch schwieriger Situation wir Missionare da oft stehen, weil die Erwartungen der Menschen, die aus einer tief heidnisch geprägten Umwelt kommen, doch ganz anders sind. Mir hat dies aber auch gezeigt, daß der Geisterglaube, oder vielmehr die Angst davor, auch durch die Taufe oder selbst eine Ordensprofess nicht automatisch verscheucht wird, sondern daß es wohl noch lange dauern wird, bis auch jene, die bereits zum Glauben an Christus gefunden haben, ganz befreit werden zur Freiheit der Gotteskinder, die sich in der liebenden Hand Gottes ganz geborgen wissen können.

Aber es sind nicht nur seelische Nöte, gegen die wir hier ankommen wollen; wir haben es hier auch mit ganz handgreiflichen Sorgen zu tun: An Weihnachten hatten wir eine bettelarme Großfamilie aus Ceza zu uns geholt, damit sie mit uns feiern konnten und auch mal alle Mägen kräftig gefüllt wurden, was bei jenen Leuten recht selten der Fall ist. Es war eine fast rührende Atmosphäre, miterleben zu dürfen, wie wohl das allen, und besonders den vielen Kindern tat. Dann aber kam's ganz dick: Ntshapheka, einem Mädchen aus dieser Familie, bezahlen wir - wie vielen andern armen Kindern auch - die Schul- und Internatskosten, damit sie später mal besser durchs Leben kommen und auch ihrer Familie helfen kann. Ihr Stiefvater (der Vater ist unbekannt und die Mutter geisteskrank) möchte sie nun so schnell als möglich an den nächstbesten Mann verheiraten - ob sie ihn mag oder nicht ist dem Vater völlig egal -, damit er von dort den Brautpreis bekommt und das sind nach gegenwärtigem Kurs elf Rinder. So groß ist die Not (nicht nur) in dieser Familie, aber so rücksichtslos macht sie auch. Und nach Zulu-Recht kann sich die "verkaufte Braut" kaum wehren. Gottlob konnten wir vorerst verhindern, daß Ntshapheka gegen ihren Willen verheiratet wurde, aber die Not kann nicht so schnell behoben werden.

Ich hatte in meinen letzten Rundschreiben ja schon angedeutet, daß wir durch unser inzwischen in allen Bauabschnitten fertiggestelltes Entwicklungshilfe-Zentrum (community-development-centre nennt man es hier) gegen jene Not tiefschürfender angehen wollen, als dies mit den freilich ebenso notwendigen Almosen möglich ist. Die Kurse, die darin laufen, sind ein Zwei- bis Drei-Jahres-Programm, in dem wir die Leute, die daran teilnehmen, dazu befähigen wollen, sich selber und anderen eben selbst zu helfen um sie damit von der abhängig und unselbständig machenden Hilfe anderer unabhängig zu machen. Bislang wurden die ca. 20 Frauen, die in ersten Ausbildungsjahr stehen, nur im Nähen und Gartenbau unterrichtet, aber jetzt kamen sie selber zu mir, anderswo würden in solchen Zentren die Leute auch in Gesundheitslehre und religiös unterrichtet. Es hätte sich herumgesprochen, daß ich da vorbelastet sei, ob ich ihnen nicht doch helfen könnte. Da konnte ich dann nicht mehr nein sagen, und wer mich kennt, weiß, wie gerne ich dazu eigentlich ja sage. Kurzum: In wenigen Wochen der weiteren Vorbereitung wird nun auch ein religiöses und ein Gesundheitsprogramm in unserem Zentrum anlaufen und ich werde dabei meine Zulu-Sprachkenntnisse auf die Probe stellen.

Es gäbe noch viel zu erzählen, was diesem Brief wohl noch ein paar Seiten hinzufügen würde, etwa von der Schlange, die sich mal auf dem Gang zu meinem Arbeitszimmer zur Ruhe gelegt hatte, daß ich beinahe drüberstolperte (ich hielt solche Erzählungen bislang immer für Missionars-Latein), von der Kirchweihe in Bhokweni oder davon, daß man mir inzwischen auch die Verwaltung unserer Impumelelo-High-School und der Pfarrei-Gelder übertragen hat, daß wir an unserer Schule so was wie ein Abendgymnasium begonnen haben, wo Leute auf dem zweiten oder dritten Bildungsweg (so würde man das wohl in Deutschland nennen) das Abitur nachmachen oder wiederholen können, und vieles mehr. "Aber Werkeln ist doch selbstverständlich", schrieb mir kürzlich ein sehr guter Freund. Wichtiger noch ist der Geist, wie und aus dem heraus wir unseren Dienst leisten. Deshalb bat ich Euch eingangs um Euer Gebet um den Heiligen Geist, auf daß er uns immer das Wesentliche im Auge behalten läßt und all unserem Werkeln durch seinen Segen erst Überzeugungskraft und geistlichen Erfolg schenke.

Wir beten auch für Euch und tun das gerne.

So bleibe ich mit einem herzlichen pfingstlichen Gruß in steter Verbundenheit

Euer dankbarer Pater Gerhard


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