zum Osterfest, dem 31. März 1991
Meine lieben Freunde, Bekannten und Verwandten,
Alleluja, Jesus lebt! So jubeln wir an Ostern. Der hebräische Name "Jesus" heißt "Gott ist Heil". Und dieses Heil Gottes, nämlich Jesus, lebt! Es ist Wirklichkeit, jetzt und für immer! Wie oft durfte ich dies in den vergangenen Wochen wieder erfahren! Und ich möchte diese Osterfreude mit Euch teilen. Jesus, Gottes Heil, lebt mit uns, in uns, durch uns und für uns! Für mich ist es eine großartige Ostererfahrung, daß ich miterleben darf, wieviel neues Leben, neuer Schwung, neuer Eifer sich in meiner Pfarrei Mangete entfaltet hat und in meiner zweiten Pfarrei Mandini auch bereits zu entfalten beginnt. Einen Durchbruch haben wohl die sogenannten "kleinen christlichen Gemeinschaften" bewirkt. Die Gläubigen bilden kleine Nachbarschaftsgruppen, die sich bei einem der Mitglieder treffen, die Hl. Schrift betrachten und in konkreten Taten in ihr Leben umsetzen. So gibt es Leute, die von sich aus Kinder im Glauben unterrichten, solche, die caritative Aufgaben übernehmen, und andere, die die Gottesdienste lebendiger gestalten helfen. Für mich ist all das eine große Ermutigung und Hilfe. Trotzdem habe ich mit den zehn Gemeinden, die ich nunmehr zu betreuen habe, alle Hände voll zu tun.
Nachdem ich in meinem letzten Rundschreiben die Gemeinden der Pfarrei Mangete vorgestellt habe, stelle ich diesmal die die Gemeinden von Mandini vor.
Da ist zunächst die Gemeinde von Mandini
selbst: Mandini ist eine junge Stadt, die sich um eine große Papierfabrik gebildet hat,
die nicht nur wegen des himmelschreienden Gestankes, den sie so nebenbei produziert,
sondern auch wegen ihrer Größe und ihres Einflusses den Ort auf ihre Weise beherrscht.
Gemäß der bislang gültigen Gesetzgebung lebten dort nur Weiße, so besteht auch die
kleine katholische Gemeinde von ca. 200 Seelen und bislang 20 Kirchgängern aus jener
Bevölkerungsgruppe. Die Mentalität der Leute und damit die Probleme der Gemeinde sind
exakt dieselben wie in einer deutschen Durchschnittspfarrei: Bequemlichkeit,
Anspruchsdenken und Zeitmangel.
Ursprünglich für die schwarzen
Fabrikarbeiter ist ein paar Kilometer entfernt die Wohnsiedlung Sundumbili
entstanden. Dort wohnen inzwischen zigtausende von Menschen in dem für Südafrika
typischen Township-Milieu. Planlos scheinen die Häuser und Hütten nebeneinandergesetzt,
trostlos der Schmutz und lieblos die Atmosphäre. Am Rande Sundumbilis bis hin nach
Sithebe sind Elendsviertel entstanden, Slums mit Hütten aus Abfallstoffen, Wellblech,
Karton, Plastikplanen und Lehm. Kein Strom, kein Gas, kein Wasser, keine Kanalisation.
Dort ist meine größte und aktivste Gemeinde, St. Benedikt. Die Kirche ist sonntags mit
300 und mehr Leuten gerammelt voll. Victor Nzuza ist ein eifriger Katechist, der viel
Religionsunterricht hält, Kranke besucht und die Gottesdienste mitgestalten hilft. Seinen
Gehalt muß ich vorerst aus meiner Tasche bestreiten, aber ich tue das gerne, weil er viel
und gut arbeitet.
Mambane ist eine ärmliche
Arbeitersiedlung im Norden von Sithebe. Sithebe ist ein riesiger Industriekomplex, der von
der Regierung mitten im Busch in den vergangenen Jahren aus dem Boden gestampft worden
ist. Die Fabriken beschäftigen zu Tausenden ungelernte Arbeiter für einen Monatslohn von
umgerechnet 90,- DM. Kost und Wohnung müssen die Arbeiter aber aus der eigenen Tasche
bestreiten. Das ist einer der Gründe, warum die Slumgebiete um Sithebe rapide anwachsen.
In Mambane hat unser dortiger Katechist einen großen Kindergarten aufgebaut, der stets
überbelegt ist, weil die Mütter eben dazuverdienen müssen. Daneben geben wir den Leuten
dort Milchpulver und Baby- und Kindernahrung zu stark verbilligten Preisen. Herschenken
können wir's nicht, denn dann wäre es nichts wert und würde an der nächsten
Straßenecke in Wertvolleres, nämlich Münzen umgetauscht, und von denen würde sich der
Vater dann betrinken, statt den Kindern was zu essen zu geben.
Mathonsi liegt einige Kilometer nördlich von Sundumbili.
Obwohl es ein kleineres Dorf ist, sind dort neben der unseren zwei große Kirchen, eine
von den Nazarenern und die andere von einer weiteren Sekte. Das zeigt einesteils, wie
religiös die Menschen sind, daß sich drei Kirchen in einem kleinen Dorf halten können,
aber auch, wie hin- und hergerissen die Menschen sind zwischen der Kirche Christi und
irgendwelchen absurden Sekten, die es zwar ausgezeichnet verstehen, die Leute in ihren
Bann zu ziehen, weil sie nicht ein Leben nach wirklich christlichen Grundsätzen verlangen
und gleichzeitig die heidnischen Traditionen, mit einem religiösen Mäntelchen versehen,
weiterpflegen.
Meine abgelegenste Außenstation ist kwaMagwaza
mitten im Berg- und Buschland des Zululandes. Der Weg dorthin, der durch zwei Bäche
führt, ist selbst mit einem allradbetriebenen Fahrzeug nur nach längerdauernder
Trockenheit zu befahren. Die Kirche ist eine wellblechgedeckte Lehmhütte, genauso wie
alle anderen Häuser dort in der Gegend. Sie liegt am Rande des Kraales einer katholischen
Familie und war letzten Sonntag mit 30 Leuten fast überfüllt. Ich muß die Menschen
wirklich bewundern, wie sie stundenlange Fußwege auf sich nehmen, um zur Kirche zu
kommen, und mit welcher Inbrunst sie dann mitfeiern und den Pfarrer dann auch noch
bewirten mit dem Wenigen, was sie anzubieten haben. Aber vielleicht ist in diesen
einfachen und armen Menschen sehr viel mehr vom Geist des Evangeliums lebendig als dort,
wo alles so leicht und selbstverständlich ist.
Ermutigend und erfreulich ist aber auch, daß mich so viele in meiner Arbeit unterstützen und die Verbindung mit mir nicht abreißen lassen, wenn ich auch kaum mehr Zeit aufbringen kann, als mich per Rundschreiben zu melden. Immer wieder werde ich gefragt, wie mir am besten in meiner Missionstätigkeit zu helfen sei. So möchte ich gern mal ein paar oft gestellte Fragen allgemein beantworten:
Frage 1: Wie können wir am besten helfen? Das erste und wichtigste ist Euer Gebet. Ich bin fest davon überzeugt, daß dies die wirksamste Hilfe ist, denn an Gottes Segen ist wirklich alles gelegen. Schließt die Missionstätigkeit der Kirche bitte in Euer tägliches Beten ein! Betet, daß der Herr gute Arbeiter in seinen Weinberg sende!
Frage 2: Kann ich als Missionshelfer/in zu Euch kommen? Das ist sehr schwierig. Denn es braucht sehr lange Zeit, bis jemand die Stammessprache beherrscht und gut genug eingearbeitet ist, um selbständig arbeiten zu können. Und bis es soweit ist, ist der- oder diejenige mehr Last als Hilfe. Da ich meine Arbeit ausschließlich aus Spenden finanzieren muß, habe ich auch kein Geld, irgendwelche Gehälter, Vergütungen oder Versicherungen zu bezahlen.
Frage 3: Könnt ihr Altkleider, alte Brillen oder Ärztemuster von Medikamenten brauchen? Altkleider ja [Aktuelle Anmerkung: Die hohen Einfuhrzölle haben inzwischen Altkleidersendungen unrentabel gemacht, d.h. wir zahlen mehr für den Zoll als die Ware wert ist!], aber Lumpen sind bzw. haben wir selbst zur Genüge. Allerdings sind die Portokosten dafür relativ hoch. Bitte erwartet aber nicht von meiner Familie oder Heimatabtei, daß diese für die Portokosten aufkommen. Mit alten Brillen habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Leute sich oft eine Brille wegen des "schönen" Gestelles aussuchen, nicht eine, mit der sie besser sehen. Da schicke ich die Leute lieber zum Optiker und helfe beim Zahlen der Brille, als daß sich die Leute mit einer falschen Brille die Augen noch mehr verderben. Ärztemuster, auch wenn sie mal ausnahmsweise noch nicht verfallen sind, dürfen nicht eingeführt werden. Der Zoll würde sie beschlagnahmen. Schade fürs Porto!
Frage 4: Könnte ich eine/n Brieffreund/in haben oder ein Patenkind/eine Patenfamilie zum persönlichen Kontakt vermittelt bekommen? Abgesehen vom Sprachproblem (ich habe Wichtigeres zu tun, als deutsche Kinderbriefe auf Zulu zu übersetzen und umgekehrt, denn nur die Gebildeteren sprechen Englisch, und denen geht's in der Regel ohnehin nicht gar so miserabel), habe ich leider viele schlechte Erfahrungen machen müssen: Oft bleibt es nicht bei allgemeinen Briefen, sondern bald folgen Bettelbriefe. Die Echtheit der geschilderten Not kann von der anderen Seite natürlich nicht beurteilt oder gar geprüft werden. Und dann bekommen eben die, die am wirksamsten auf die Mitleidsdrüse drücken - ob wahr oder unwahr - die meiste Unterstützung. Andere, die ehrlich, aber scheu sind, und denen es wesentlich schlechter geht, werden benachteiligt. Dadurch, daß durch solche Patenschaften Einzelne bevorzugt werden, entsteht bei anderen Neid und Mißgunst. Nicht zuletzt wird dadurch eine Almosenempfängermentalität gefördert, die die Leute oft nicht gerade dazu ermuntert, für sich selbst zu sorgen. Warum arbeiten, wenn man seinen Lebensunterhalt auch so "verdient"? Deshalb habe ich damit aufgehört, Patenschaften zu vermitteln. Ersatzvorschlag: Warum nicht als Einzelner, Gruppe, Pfarrei usw. ein Patenprojekt übernehmen? Z.B.
Beitrag zum Gehalt kirchlicher Mitarbeiter
Beitrag zum Bestreiten der monatlichen Benzin- und Wartungskosten
Beitrag zum Sparen auf ein neues Auto (Das alte hat über 100000 km, tut's aber noch)
Beitrag zum Bau der neuen Kirchen in Emvuzini und Tugela Beach
Beitrag zur Renovierung der Kirchen Herz Jesu in Mandikini, St. Francis, Maria Stern des Meeres in Whebede, St. Patrick in Inyoni, Herz Jesu in Mangete, St. Anton in Mandini, kwaMagwaza, St. Benedikt in Sundumbili, St. Clara in Mathonsi, Emanuel in Mambane.
Beitrag zur Beschaffung katechetischer Materialien
Beitrag zur Armenspeisung
Beitrag zum Bezahlen des Schulgeldes für arme Kinder
Frage 5: Kann ich ein Heidenkind kaufen? Nein, weil ich kein Sklavenhändler bin. Wer aber einen Beitrag dazu leisten will, daß wir echte Heidenkinder im katholischen Glauben unterrichten, so daß sie in der Taufe Kinder Gottes werden können, ist sehr willkommen. Allerdings wäre es eine Zumutung für die Eltern, wenn man ihnen vorschriebe, welchen Namen sie ihrem Kind zu geben hätten.
Frage 6: Nimmst du Erbschaften oder Vermächtnisse an? Ja, aber ich bin kein Erbschleicher und möchte nicht, daß gesetzmäßige Erben benachteiligt werden. Wenn, dann bitte ich aber nicht mich persönlich zu bedenken (Erbschaftssteuer!), sondern die Erzabtei St. Ottilien mit der Auflage, das Geld zweckgebunden für meine Missionsarbeit an mich weiterzuleiten.
Frage 7: Kannst du Meßstipendien annehmen? Im Prinzip ja, aber ich werde von priesterlichen Freunden bereits gut eingedeckt, so daß ich "ausgebucht" bin. Vom Geld habe ich ohnehin nichts für meine Missionsarbeit, weil ich das an mein Kloster abführen muß. Lieber sind mir frei verfügbare Spenden und in unser tägliches Gebet und jedes Meßopfer sind ohnehin all unsere Wohltäter eingeschlossen.
Frage 8: Kann ich dich mal besuchen kommen? Im Prinzip ja, aber eine Missionsstation ist weder ein Hotel noch ein Safari-Unternehmen, und ein Missionar ist in erster Linie für seine Gemeinde(n) da. Wer das akzeptiert und unser subtropisches Klima verträgt, ist jederzeit herzlichst willkommen.
Frage 9: Helfen dir gestempelte Briefmarken? Ja, wenn sie an Pater Raymund, D-8917 St.Ottilien, geschickt werden mit dem Vermerk: "Erlös zugunsten P. Gerhard Lagleder".
Trotz all dieser Informationen, möchte ich damit niemanden anbetteln, aber es erspart mir viel Zeit, solche Fragen nicht für jeden einzeln, sondern eben mal per Rundschreiben zu beantworten.
Für das Osterfest und die Osterzeit möchte ich jedem von Euch von Herzen die Freude des Auferstandenen wünschen, des lebendigen Christus, der für, mit, in und durch uns lebt und dieses sein (neues, ewiges) Leben allen Menschen weiterschenken will, auf daß unser Leben reich und erfüllt werde im Wissen, daß er der Weg, die Wahrheit und das Leben selber ist. In diesem Sinne wünsche ich Euch allen von Herzen ein frohes und gesegnetes Osterfest!
Herzlichst Euer
Pater Gerhard
Diese Seite wurde zuletzt am Freitag, 18. März 2016 00:52:45 geändert.
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