im Advent 1993
Meine lieben Freunde, Bekannten und Verwandten,
Ein Weihnachtsbild soll das sein!? Unerhört! Eine nackte Frau,
ein Greis, ein Mann mit einem verhungerten Kind auf dem Arm, ein Gefesselter, ein Flöten-
und ein Gitarrespieler, ein Ruhender und ein Schauender und im Zentrum ein junges Mädchen
mit einem Kleinkind auf dem Arm. Geschmacklos? pietätslos? ein Horrorbild? und das als
Weihnachtsgruß!? Ja, meine Lieben, und ich wünschte, ich könnte noch deutlicher
darstellen, daß die Weihnacht den Erlöser in eine Welt gebracht hat, die nach
Gerechtigkeit, Frieden und Liebe schreit. Das ist die Welt, in der wir alle leben, ob in
Deutschland, Jugoslawien, Indien oder Südafrika. Und das ist die Welt wie ich sie gerade
jetzt im Zululand erlebe: Eine Welt der Gefesselten, gefesselt durch politisches
Machtstreben und Rücksichtslosigkeit; eine Welt der Hungernden, hungernd nach Brot und
Frieden; eine Welt der Greise, der veralteten Ideologien und des Aberglaubens; eine Welt
der unverhüllten Sehnsüchte, suchend nach Geborgenheit und Liebe; eine Welt der Spieler,
die die Leere mit weltlichen Klängen füllen; und doch inmitten dieses schauerlichen
Welttheaters ist auch der Ruhende, getragen von der Nähe und der Schauende, schweigend
lächelnd im Blick auf das Kind. Das Kind getragen von der Liebe der Mutter, zärtlich
beschützt, gehalten und haltend. Sie blicken gemeinsam ins Weite der Zeiten, in froher
Gewißheit der rettenden Tat.
"Christ', der Retter, ist da! Christ', der Retter ist da!" Dies ist die Frohbotschaft der Weihnacht und daß diese Frohbotschaft eine persönliche Erfahrung für die große Welt der Nachrichten und für die kleine Welt unseres eigenen Herzens werde, ist mein Weihnachtswunsch für Euch alle! Werdet wirklich frohe und schauende, ruhende und geborgene Menschen im Blick auf das Kind, den Emanuel, den Offenbarer des göttlichen Seins!
Mit diesen Wünschen möchte ich Euch alle auch ganz herzlich grüßen, besonders jene, für die mein Gruß eine Erwiderung und ein Dank für Post oder Anrufe, für materielle und finanzielle Zuwendungen ist. Sicher werdet Ihr verstehen, daß ich bei all meiner Arbeit, die immer nur noch größer wird, absolut keine Gelegenheit gefunden habe, mich früher zu bedanken. Das tut mir zwar im Herzen weh, doch ging es einfach nicht anders. Gerne möchte ich aber wenigstens die Gelegenheit dieses Rundbriefes nutzen, um Euch ein wenig teinehmen zu lassen am Wohl und Wehe meines eigenen Lebens und meiner Arbeit.
Daß die politische Situation in Südafrika derzeit schrecklich ist, bekommt Ihr sicher aus den Medien mit. Gerade in den letzten Wochen hat sich das Gebiet um Mandini von einem Pulverfaß zu einem Feuerwerk geändert. Täglich werden nun hier in meinen Pfarreien Leute ermordet, Häuser und Fahrzeuge angezündet; gestern war ein Bombenanschlag auf den Bahnhof und keiner weiß was morgen ist. Viele Bewohner der ländlichen Gebiete und der Township haben ihr Heim verlassen und sie schlafen im Busch unter freiem Himmel, weil sie sich da sicherer fühlen. Viele Leute haben ihr Hab und Gut in unseren Kirchen untergestellt, weil es bei ihnen zu Hause nicht sicher ist. Wie das weitergehen soll, weiß ich selber nicht. Mein Heimaturlaub ist schon ein Jahr überfällig, aber angesichts dieser Situation kann ich nicht davonlaufen. Meine Pfarrei braucht mich jetzt dringender als die Heimat. Trotz alledem versuchen wir unser Christsein so glaubhaft als möglich zu leben und daß sich unheimlich was getan hat in der Entwicklung unserer Pfarrgemeinden ist mir Trost und ein deutliches Zeichen, daß der Herr wirklich Emanuel (Gott mit uns) ist.
Schon vergangenes Jahr habe ich Euch von der Gründung unserer "Bruderschaft des Seligen Gerhard" berichtet. Mehr als das, was damals Hoffnungen und Träume waren, hat sich inzwischen verwirklicht. Zur Zeit haben wir Besuch von Diane Freiin von Wrede aus Deutschland. Sie hat von unserer Hilfsorganisation in Deutschland gehört und ist jetzt ein paar Monate hier, um mitzuarbeiten. Sie hat den beiliegenden Bericht geschrieben, den ich Euch gern als Information über unser Tun beilege, nicht ohne zu hoffen, daß Ihr Euch unserer Bruderschaft anschließt, auf jeden Fall als "Spirituelle Förderer", deren einzige Aufgabe es ist, für unsere caritativen Aufgaben zu beten. Ihr findet einen Aufnahmeantrag am Schluß des Berichtes.
Ich möchte Euch nochmals ganz herzlich und dankbar grüßen und ich freue mich, von Euch wieder zu hören.
Mit herzlichen Segenswünschen für das Neue Jahr 1994
Euer
Pater Gerhard
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