Jes 60,1-6 + Mt 2,1-12
Eine Predigt von Pater Gerhard T. Lagleder OSB
gehalten in St Ottilien am 6. Januar 1983
Liebe Mitchristen,
heute feiern wir den wohl eigenartigsten Teil des Weihnachtsgeschehens.
Daß die Hirten, die in unmittelbarer Nähe des Stalles von Bethlehem
Nachtwache hielten, zum Ort des großen Geschehens kamen, das leuchtet uns ja
ein;
aber daß auf einmal so genannte Weise, d.h. Sterndeuter, an die 1000 km aus dem
Gebiet des heutigen Irak und Iran nach Jerusalem kommen und nach dem
neugeborenen König der Juden fragen, ist schon recht seltsam.
Sicher haben Sie sich auch schon gefragt, wie diese Leute wohl drauf kommen,
diese für damalige Zeiten äußerst beschwerliche und gefahrvolle Reise zu
unternehmen, nur um einem Neugeborenen zu huldigen.
Noch phantastischer klingt doch die knappe Erklärung, die sie selbst dafür
abgeben, sie hätten seinen Stern aufgehen sehen.
Der gut gemeinte Erklärungsversuch, die Sterndeuter seien einer ungewöhnlichen
Himmelserscheinung, einem außergewöhnlichen Stern diese weite Strecke
nachgegangen, klingt doch ehrlich gesagt auch recht an den Haaren herbeigezogen,
denn die Menschen wussten damals wie heute, daß es sinnlos ist, einem Stern
nachzulaufen.
Und doch ist das Ereignis, das wir heute feiern, kein gut erfundenes Märchen, um die Bedeutung Christi zu untermauern, sondern beruht auf höchst erstaunlichen Tatsachen, die es wert sind, hier näher erklärt zu werden:
Zunächst müssen wir uns in die Zeit, Denkweise und Kultur des Ortes unseres
Geschehens versetzen.
Wir sind im Alten Orient vor knapp 2000 Jahren.
Weil man damals überzeugt war, daß das Schicksal der Menschen ganz eng mit der
Bewegung der Sterne verbunden sei, beschäftigten sich die Gebildeten, vor allem
die babylonischen Priester viel mit dem Lauf der Sterne und dessen Deutung.
Und mit solchen Leuten haben wir es hier wohl zu tun.
Aus alten Keilschrift-Aufzeichnungen wissen wir heute, daß die Babylonier lang
zuvor eine ganz außergewöhnliche Himmelserscheinung für das Jahr von Christi
Geburt vorausberechnet hatten, nämlich ein dreimaliges Zusammentreffen des
Jupiter mit Saturn und dies geschah im Sternbild des Fisches.
Und wenn wir wissen, daß Jupiter den Babyloniern als der Stern des
Weltherrschers galt, Saturn als Stern Palästinas und das Sternbild des Fisches
als Zeichen der Endzeit und eine dreimalige Handlung im Alten Orient sie
feierlich rechtsgültig machte, dann folgt ganz logisch bei einer dreimaligen
Begegnung von Jupiter und Saturn im Sternbild des Fisches die babylonische
Deutung: In Palästina wird der Herrscher der Endzeit erscheinen!
Wir wissen auch, daß damals in Babylonien viele Juden lebten. Die großen
Propheten Ezechiel, Daniel und Jesaja zum Beispiel haben dort gelebt und gewirkt
und betrieben mit ihren Glaubensbrüdern eifrig Mission. So war den Babyloniern
nicht unbekannt, daß und wie die Juden den Messias als ihren König in der
Endzeit erwarteten.
Und jetzt traf verblüffend genau zusammen, was die jüdischen Propheten
weissagten und die babylonischen Priester aus den Sternen deuteten. Jetzt ging
den babylonischen Sterndeutern ein Licht auf, es fiel ihnen wie Schuppen von den
Augen, sie waren sich sicher, daß nun in der Geburt des Königs der Juden der
Messias erschienen ist, mit dem die Endzeit angebrochen war, die die Juden als
Zeit des endgültigen Heiles erwartet hatten.
Das trieb die Sterndeuter an. Diesem Licht folgten sie. Jetzt war Ihnen keine
Mühe zu viel, kein Weg zu weit, diesen König aller Könige zu sehen und ihm zu
huldigen. Und sie taten es in der Weise, wie es im Alten Orient üblich war, wenn
man einem König huldigte: Man brachte ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als
Geschenk.
Und als sie endlich an den Hof des Königs Herodes von Jerusalem kamen,
erschraken sie wohl ebenso wie Herodes selbst und ganz Jerusalem: Die Magier,
weil sie am vermeintlichen Ziel ihrer Reise den Erwarteten nicht antrafen;
Herodes, weil er plötzlich einen Nebenbuhler als König der Juden befürchtete und
die Einwohner von Jerusalem, weil sie wussten, wie maßlos grausam Herodes sein
konnte, wenn ihm etwas gegen den Strich ging.
Erst das Prophetenwort aus dem Mund der Schriftgelehrten führte die Sterndeuter
an ihr Ziel nach Bethlehem, wo sie vor Jesus, dem Kind einfacher Leute, die in
einer armseligen Behausung lebten, niederfielen und ihre Geschenke niederlegten.
Ich bin überzeugt, daß diese Geschichte wahr ist, denn sie ist zu
unwahrscheinlich, um erfunden zu sein.
Es ist unglaublich und unbegreiflich, welch unwahrscheinliche Wege Gott mit uns
Menschen geht, um uns zu begegnen und uns darin sein Heil zu schenken.
Das ist das, was mich an Gott so fasziniert und gleichzeitig in Ehrfurcht
erschauern lässt.
Ich glaube, daß Matthäus diese Begebenheit ganz bewusst in seinem Evangelium
aufgeschriebnen hat, um uns auch heute damit etwas zu sagen:
Viele Menschen heute kommen mir vor wie die Juden damals: Im Gegensatz zu den
heidnischen Babyloniern hatten sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
Neueste Forschungen haben nachgewiesen, daß die Himmelserscheinung, die für die
Babylonier den Ausschlag zum Glauben gab, noch einzigartiger war, als diese
damals wussten:
Im Geburtsjahr Jesu trat der so genannte Frühlingspunkt, der für die Astronomen
wichtigste Punkt der Himmelskugel auch in das Sternbild des Fisches ein, in den
sich Jupiter und Saturn dreimal begegneten, und das ist in fünf Millionen Jahren
nur einmal wahrscheinlich.
Jetzt können wir vielleicht erahnen, was Paulus meint, wenn er sagt, das All ist
auf Christus hin geschaffen. Welch schallende Ohrfeige und Widerlegung ist das
doch für all die alten und neuen Sterndeuter, die aus dem Lauf der Sterne Unheil
und Not prophezeien wollen.
Welch großartiges Wirken des Geistes Gottes, daß die Heiden aus diesem
einmaligen Himmelsereignis in ihrer Deutung den richtigen Schluss zogen! Aber
noch großartiger ist, daß die Magier die richtige Konsequenz daraus zogen und
aufbrachen, um den Herrn zu suchen und zu finden.
Welch tröstliches Wissen für uns, daß auch die Magier erfuhren, daß man den
Herrn nicht in Königspalästen, Prunk und Pomp finden kann, sondern dort, wo
menschliche Not und Armut sind.
Die Weisen aus dem Morgenland lehren uns heute, wie wir Gott suchen und
finden können:
Wenn wir die Zeichen der Zeit erkennen, die seit Christi Geburt nicht mehr in
den Sternen stehen, sondern durch das wahre Licht der Welt geoffenbart sind, in
Christus, der vor uns heute, wie vor den Magiern damals, armselig in der Krippe
liegt;
wenn wir darauf reagieren und uns aufmachen, in unserem ganzen Leben Gott immer
neu und immer mehr zu suchen und dabei auch keine Mühen scheuen;
wenn wir uns vor Christus, dem wir in der Not, in der Armut und im Elend dieser
Welt begegnen, klein machen, niederwerfen, wie die Magier vor dem Kind in der
Krippe;
wenn wir ihm, unserem wahren König, gebührend huldigen und ihn beschenken mit
dem Wertvollsten, was wir haben, nämlich dem, was er uns zuerst geschenkt hat,
mit unserer Liebe und unserem Leben.
Amen
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