Lk 2,16-21
Eine Predigt von Pater Gerhard T. Lagleder OSB
gehalten in St Ottilien am 1. Januar 1983
Liebe Mitchristen,
Der Jahreswechsel regt uns wie kaum ein anderes Ereignis im Ablauf des Jahres
so sehr an, einmal intensiv darüber nachzudenken, was wir hinter uns gebracht
haben und was wohl vor uns liegt.
Nicht nur die Zeitungen, Illustrierten und das Fernsehen sind jetzt voll von
Bildern über das, was sich 1982 ereignet hat, auch unsere Gedanken sind voll von
Erinnerungen an erfreuliche und leidvolle, lustige und traurige, entscheidende
und weniger wichtige Erlebnisse.
Mehr noch als die Rückschau auf 1982 mag sie heute beschäftigen, was 1983 wohl
auf Sie zukommen wird. Und auch hier wird sich freudiges Erwarten mit
argwöhnischem Angsthaben abwechseln.
Vielleicht haben Sie schon gestern abends oder auf dem Weg zur Kirche wie gerade
im Bußakt auch Gewissenserforschung gehalten, was sich in Ihrem Leben mit Gott
1982 getan hat und sicher werden Sie neben den vielen anderen guten Vorsätzen
sich manches vorgenommen haben, was Sie darin verbessern und ändern wollen.
Vielleicht sind es entscheidende Dinge, ja, vielleicht wollen sie mit dem Anfang
des Neuen Jahres auch einen neuen Anfang Ihrer Beziehung zu Gott setzen.
Wenn dem so ist, dann haben sie den wichtigsten Schritt dazu bereits getan.
Und ich glaube, daß das uns allen nicht schaden würde, Ihnen wie mir, wenn wir
heute wieder ganz neu mit Gott anfingen, egal für wie fromm, religiös oder
kirchentreu wir uns halten.
Und lassen Sie sich dabei bitte nicht durch das dumme Sprichwort beirren, der
Weg zur Hölle sei mit guten Vorsätzen gepflastert.
Wenn wir uns nicht immer neu, jedes Jahr, ja jeden Tag samt unseren guten
Vorsätzen auf Gott hin ausrichten, uns zu ihm hinwenden und nötigenfalls zu ihm
umkehren, dann laufen wir Gefahr, Gott aus dem Blick zu verlieren und dabei
vielleicht sogar ungewollt, aber automatisch dorthin abzugleiten, wo das Böse
herrscht, und das nennen wir mit anderen Worten Hölle.
Nutzen wir doch die Chance, mit Anfang des Neuen Jahres einen neuen Anfang mit Gott zu wagen!
Deshalb, glaube ich, wird uns heute im Evangelium auch von einem Neubeginn
erzählt, nämlich von dem neuen Anfang, den Gott mit uns Menschen gemacht hat in
der Geburt seines Sohnes, dem man den Namen Jesus gab, wie der Engel es gesagt
hatte.
Dieser Name hat eine entscheidende Bedeutung:
Deshalb spricht auch zum Beispiel Johannes mehrmals vom Glauben an den Namen
Jesu. Was meint es damit?
Hierzu müssen wir wissen, daß der Name einer Sache oder einer Person für den
Hebräer weit mehr bedeutet, als ein bloßes Erkennungszeichen, wie zum Beispiel
eine Auto- oder Wäschenummer.
Der hebräische Name sagt etwas aus über den, der diesen Namen trägt.
So bedeutet zum Beispiel der Name "Israel": "Gottesstreiter", "Benjamin":
"Glückskind" oder "Bethlehem”: "Brothaus".
Deshalb erfahren wir auch in der Hl. Schrift öfters, daß Gott' den Eltern von
Menschen, die für die Heilsgeschichte eine besondere Bedeutung haben, durch
Engel sogar mitteilen läßt, welchen Namen sie ihrem Kind geben sollen; zum
Beispiel bei Johannes dem Täufer, dessen Name Gott ist gnädig" bedeutet.
Und heute nennen Maria und Josef den Sohn Gottes, wie ihnen aufgetragen war,
"Jesus". Und das bedeutet: "Gott ist das Heil".
Wenn ich also den Namen "Jesus" ausspreche, dann bezeichne ich damit nicht nur
Jesus mit seinem Namen, sondern sage gleichzeitig aus und bekenne damit: "Gott
ist das Heil".
Jetzt verstehen wir auch den Sinn des Zweiten Gebotes besser, warum wir Heilige
Namen nicht leichtsinnig oder im Zorn aussprechen sollen, weil wir damit nicht
nur den Namen, sondern auch die Aussage, die dahinter steht, zum Beispiel bei
"Jesus": "Gott ist das Heil" in den Schmutz ziehen wurden.
An den Namen Jesu glauben, heißt also bekennen, daß Jesus Gott ist, der uns das Heil bringt, und danach handeln.
Wenn wir im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes ein
Gebet, den Gottesdienst oder das Neue Jahr beginnen, heißt das auch, zu
bekennen, daß Gott unser Heil ist und im Vertrauen darauf zu beginnen.
Ja, allein das Aussprechen des Namens "Jesus" ist schon ein Gebet, die
Verherrlichung Gottes, der mein und unser Heil ist.
Wenn wir früher Jesus häufig unseren „Heiland“ genannt haben, dann war das
nichts anderes, als eine Übersetzung seines Namens ins Deutsche: Er ist Bringer
des Heils.
Aber, was bringt uns denn dieser "Jesus" der "Gott ist das Heil" heißt, mit dem
"Heil"?
Ich habe den Eindruck, daß sehr viele Menschen heute mit dem Begriff "Heil"
nichts so rechtes anzufangen wissen, und daß sie deshalb dieser Jesus mit seiner
Heilszusage nicht mehr so recht hinter dem Ofen ihrer Interesselosigkeit
hervorlocken kann.
Die Ausdrücke des Alten Testaments, die wir im Deutschen mit "Heil" wiedergeben,
meinen meist einen irdischen Glückszustand, der Zeichen des Wohlwollens Gottes
ist, während das griechische Wort Sothria (Sotäría),
das im Neuen Testament für "Heil" steht und eigentlich "Rettung" meint, sowohl
das leibliche Wohlergehen, wie auch und vor allem den entsprechenden Zustand des
geistlich-seelischen Lebens bezeichnet.
Deshalb kommt es auch heute zu Mißverständnissen. Heil im Sinne von leiblichem
und irdischem Wohlergehen, danach strebt wohl jeder Mensch, wenn er nicht gerade
psychisch krank ist. Nur erkennen die wenigsten, daß nicht sie selber die
Urheber dieses Wohlergehens sind, sondern Gottes Heilswille, der durch uns und
andere an uns handelt.
Aber: Heil meint fast ausschließlich auch die tiefere Wirklichkeit
dessen mit, was wir das Seelenheil nennen, das in der Gemeinschaft mit Gott
besteht.
Und diese Gemeinschaft mit Gott, die das Leben, ja das ewige Leben bedeutet und
die der Mensch durch seine selbstgewollte Abwendung von Gott verloren hatte,
wird ihm durch den neuen Anfang, den Gott in der Geburt seines Sohnes mit ihm
gemacht hat, der den Tod als notwendige Folge der Sünde in seinem eigenen Tod
und seiner Auferstehung ein für allemal besiegt hat, in der Vergebung der Sünden
wieder geschenkt.
Der langen Rede kurzer Sinn:
Unser Heil ist die Rettung vor dem ewigen Tod, also der Hölle, das uns in der
Gemeinschaft mit Gott durch die Vergebung der Sünden geschenkt ist.
Und jetzt verstehen wir, warum die Sehnsucht der Menschen nach diesem
eigentlichen Heil so gering ist:
Weil sie sich ihrer Schuld schon vor den Mitmenschen, aber vor allem vor Gott
oft nicht mehr bewußt sind.
Der Selbstentschuldigungsmechanismus klappt doch vorzüglich:
Verstehen Sie mich bitte recht: Ich will ihnen keine Skrupel einreden, daß
Sie etwa jeden Atemzug vorher genauestens auf seine Verantwortbarkeit Gott
gegenüber untersuchen sollten, doch scheint es mir eine wichtige Aufgabe zu
sein, unser Gewissen wieder neu zu bilden um ein feineres Gespür dafür zu
bekommen, was vor Gott Sünde ist.
Die verschiedenen sehr guten Beichtspiegel im Gotteslob können Ihnen dazu eine
gute Hilfe sein.
Wenn jemand aber ein Jahr nach seiner letzten Beichte etwa nicht recht viel mehr
zu bekennen hätte, als ab und zu unandächtig gebetet und am Freitag Fleisch
gegessen zu haben, dann sind entweder die Maschen des Netzes seines Gewissens
erheblich zu weit, oder es wäre höchste Zeit, seine Heiligsprechung zu
beantragen.
Der Weg zum Heil ist also die Vergebung der schuldigen Vergangenheit und die
Eröffnung einer neuen ungeahnten Zukunft im Neubeginn meines Lebens durch, mit
und in Gott.
Eine schönere und tröstlichere Neujahrsbotschaft, die uns heute der bloße Name
Jesu in seiner Aussage "Gott ist das Heil" verkündet, konnte uns gar nicht
gegeben werden.
So wünsche ich Ihnen für das Heilige Jahr 1983, das 1950. Jahr nach dem Tod und
Auferstehung Jesu, daß es für Sie im vollen Sinn des Wortes ein Jahr des Heiles
wird, das Ihnen immer neu in der Gemeinschaft mit Gott geschenkt werden will.
Sie müssen es nur annehmen wie Maria, die die Heilsbotschaft Christi in ihrem
Herzen bewahrte und darüber nachdachte und wie die Hirten, die die
Heilsverkündigung hörten, zu Jesus eilten, das Wunder sahen und darauf
reagierten indem sie Gott rühmten und lobten. Tun auch wir es in Wort und Tat!
Amen.
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